bin ich eine digitale eingeborene?
Es geht eine Blogparade um, die sich mit „Digital Natives“ befasst: „Lasst uns über Digital Natives reden“. Da las ich mit Erstaunen, dass drei Menschen meines Alters festgestellt haben, sie seien zu alt, um als Digital Natives zu gelten. Digital Native könne man frühestens ab Geburtsjahr 1980 sein (da war ich in der 7. Klasse, nun rechnet mal), alle davor Geborenen seien Digital Immigrants. Ich hatte mich mit dem Begriff noch gar nicht richtig befasst, ihn nur mal so am Rande wahrgenommen, muss ich gestehen. Nach Wikipedia ist ein Digital Native jemand, der mit digitalen Medien wie Computern, dem Internet, Mobiltelefonen oder MP3-Playern aufgewachsen ist.
Bin ich halt ein Immi.
Hm. Gefühlt bin ich sehr wohl mit digitalen Tools aufgewachsen, auch wenn ich nicht schon mit vier auf einem Smartphone rumgewischt habe, um Mamas Bilder anzugucken. Etwa 1988 habe ich auf einem Rechner mit monochromem Bildschirm (Bernstein auf Schwarz) Leisure Suit Larry gespielt und meine erste Seminararbeit geschrieben. Aber natürlich kenne ich noch Telefone mit Schnur und sogar mit Wählscheibe, ich Dino. Ich habe zuerst auf Omas mechanischer und später immerhin auf einer elektrischen Schreibmaschine geschrieben und irgendwann gebannt zugeschaut, als im Fernsehen gezeigt wurde, wie ein Fax von A nach B geschickt wird. Wunderding! Als ich 1997 mein erstes Firmenhandy bekam (ein dicker Knochen von Siemens, S4, glaube ich), war mir das ein bisschen peinlich, denn damals hatten nur Wichtigtuer sowas. Also wäre ich nach der Definition ein Digital Immigrant. Na und?
Diese Vergleiche, wer wann womit früher in Berührung kam, greifen meines Erachtens zu kurz. Ich meine hingegen unterschiedliche Treiber zu erkennen, die dazu führen, digitale Medien zu nutzen. Und die sind altersunabhängig. Ich beobachte bei manchen ein Faible für Gadgets und Innovatives – Technik zum Selbstzweck, aus Neugier und Spaß daran. Oder den beruflichen Treiber, weil man bestimmte Tools einfach benutzen muss (ich schätze mal, dass die große Mehrheit eine Art Hassliebe zu E-Mails hat, oder?). Oder man benutzt die Dinger halt, weil sie so praktisch sind.
Kommunikationsjunkies unite!
Mein wichtigster Treiber für die Nutzung digitaler Medien ist Kommunikation: mit Menschen, die ich sonst nie kennengelernt hätte (damals, in Foren auf Compuserve wie dem Italian Forum oder dem Citylife). Mit Menschen, die gleiche Interessen verfolgen (später in Newsgroups wie de.rec.tiere.hunde oder de.rec.tiere.pferde oder de.alt.talk.unmut). Mit Kolleginnen, mit denen ich mich beruflich austausche (heute z. B. im Netzwerk Texttreff) oder mit Menschen, mit denen ich locker oder intensiver in Kontakt bleibe, was über Facebook viel einfacher geht als etwa per E-Mail oder gar Telefon.
Daher finde ich den Begriff Digital Native ziemlich irrelevant, weil er einer rein nach Alter definierten Gruppe Verhaltensgemeinsamkeiten zuschreibt, die meiner Meinung nach altersunabhängig sind. Ich behaupte, dass die meisten Kommunikationsjunkies wie ich sich völlig selbstverständlich mit digitalen Medien befassen – weil sie ihnen dabei helfen, ihr enormes Kommunikationsbedürfnis bequem zu befriedigen und sie mit Menschen in Kontakt bringen, die sie ohne sie nie getroffen hätten oder mit denen es ungleich aufwendiger wäre zu kommunizieren. Wobei – ich hab das schon analog gemacht: Irgendwann in den 1980ern gab es in unserer regionalen Anzeigenzeitung Sperrmüll eine Rubrik, deren Namen ich vergessen habe. Jedenfalls kommunizierte man dort über Kleinanzeigen, gab sich Pseudonyme und traf sich dann irgendwann sogar auf Pseudo-Treffen. Im Grunde also nichts anderes als Foren oder Newsgroups und Usertreffen – nur ein bisschen langsamer und analog. Das unterstützt meine These: Ich hab halt genutzt, was es gab. Hauptsache, es funktionierte.
Weiter unten steht dann bei Wikipedia auch: „Demnach wäre der Begriff des digital native über die Art und Weise des Umgangs mit Medien und Technik zu definieren und nicht über das Alter.“ So isses. Oder?
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