cave canem

Zum Los eines Schriftstellers bemerkte treffend der Schweizer Aphoristiker Walter Ludin: „Er schreibt immer nur für die Katz und kommt dabei auf den Hund.“

Recht hat er zumindest mit dem zweiten Teil, denn auf den Hund gekommen sind diverse Literaten. Die Reihe der schreibenden Hundefreunde fängt lange vor Thomas Mann oder Friedrich Dürrenmatt an und hört bei Günther Grass oder Ernst Jandl noch lange nicht auf. Quer durch die Genres und Epochen zieht sich des Schreiberlings Hundeliebe. Schauen wir doch mal, welche verschiedenen Funktionen Canis lupus familiaris in des Künstlers Umfeld wahrnimmt:

Existenzberechtiger

Erstaunlich, wie sehr so mancher in der illustren Runde der Hundebegeisterten die eigene Existenz – und nicht nur die! – vom fellnasigen Familienmitglied abhängig macht. Von Heinz Rühmann ist überliefert: „Man kann auch ohne Hund leben. Aber es lohnt sich nicht.“ Carl Zuckmayer behauptete: „Ein Leben ohne Hund ist ein Irrtum.“ Franz Kafka, thematisch keinesfalls nur mit Insekten befasst, formulierte es philosophischer: „Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und alle Antworten sind im Hund enthalten.“ Vielleicht hatte er seinen Plato gelesen, denn bereits der hatte erkannt: „Ein Hund hat die Seele eines Philosophen.“ Und Vicco von Bülow, bekannter als Loriot, der Mopsverehrer, sagte: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Konsequent benannte er denn auch seine Biographie „Von Möpsen und Menschen“. Wobei umstritten ist, ob die stupsnasigen Ringelrutenträger mit dem faltigen Gesicht ohne Abstriche zu den Caniden gehören. Denn, so schreibt Loriot weiter: „Möpse sind mit Hunden nicht zu vergleichen. Sie vereinigen die Vorzüge von Kindern, Katzen, Fröschen und Mäusen.“ Was nun wiederum diese Vorzüge verglichen mit denen eines ganz profanen, nicht-mopsigen Hundes sein sollen, übersteigt meine Vorstellungskraft.

Misanthropenvehikel

Bei vielen der schreibenden oder anderswie zu Berühmtheit gelangten Hundefreunde führt die Liebe zu Bello nachgerade zur Menschenverachtung. So bekannte schon Franz von Assisi: „Dass mir der Hund das Liebste sei, sagst du o Mensch, sei Sünde? Der Hund blieb mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde.“ Armer Franz. Und Friedrich der Große stellte ernüchtert fest: „Je mehr ich von den Menschen sehe, umso lieber habe ich meinen Hund.“ Diese Auffassung teilen viele, so scheint es. Denker wie Arthur Schopenhauer oder Christian Friedrich Hebbel suhlten sich in miesepetriger Ablehnung des Menschen und Vergötterung des Hundes (Hebbel: „Wundern muss ich mich sehr, dass Hunde die Menschen so lieben; denn ein erbärmlicher Schuft gegen den Hund ist der Mensch“). Beim Ausflug in die Politik lernen wir: „Wenn du in Washington einen Freund haben willst, musst du dir einen Hund zulegen“ – so Harry Spencer Truman, der 33. Präsident der USA. Damit wäre auch geklärt, warum Bush, Clinton, Obama und Co. alle spätestens mit dem Einzug ins Weiße Haus auf den Hund gekommen sind. Und der englischen Königin scheint es ja ähnlich zu gehen.

Literarischer Wuff

Doch kommen wir endlich zur Haupttätigkeit des Schreibenden: dem Fabulieren. Denn auch als literarisches Thema findet der befellte Vierbeiner seinen Platz. Eines der berühmtesten Exemplare ist sicher der Jagdhundmischling Bauschan aus Thomas Manns „Herr und Hund“. Dieses Büchlein eignet sich übrigens hervorragend dafür, Zeitgenossen eines Besseren zu belehren, die Hunde lediglich für würdige Begleiter unterer Schichten halten. Denn Thomas Mann ist schließlich über jeden Niveau-Zweifel erhaben. Das moderne Gegenstück ist „ottos mops“ aus dem gleichnamigen Gedicht von Ernst Jandl (da ist er wieder, der Mops. Was die nur immer alle an dem finden?). Hier wird der Hund – entgegen Tucholskys Aussage „Die Katze ist ein freier Mitarbeiter, der Hund ein Angestellter“ durchaus als Geschöpf mit anarchischem Potenzial dargestellt. Er trotzt, hopst fort, kommt (aber nur, um in Sicherheit zu wiegen) und schließlich: kotzt. So sindse, die Viecher. Sie tun so, als seien sie stets loyale Hausgenossen, aber am Ende machen sie doch, was sie wollen. Oder Flecken auf den Teppich.

Muse?

Woher kommt sie also, die Vorliebe der schreibenden Zunft zum Hund? Trägt der bellende Vierbeiner zum kreativen Prozess bei? Kreation durch die Kreatur, ist das vielleicht das Geheimnis? Inspiriert uns die Fellnase unterm Schreibtisch einfach qua Existenz? Weil sie so kreatürlich-verschnarcht unter selbigem für eine entspannt-schöpferische Atmosphäre sorgt? Oder ist es ganz profan ihre Angewohnheit, den schreibenden Stubenhocker von Zeit zu Zeit aus der miefigen Kammer zu locken? Um selbigem das Hirn zu lüften und so Raum zu schaffen für Neues? Fördert somit der Gassigang auch das geistige Entleeren? Oder bringt das oft verspielte Wesen des vierbeinigen Hausgenossen die Seele wieder in eine kindliche Gemütsverfassung? Die als Jungbrunnen für die Phantasie dient und ihr gehörigen Schub gibt? Vielleicht ist es die Mischung aus alledem – es sind jedenfalls genügend Gründe dafür, dass so viele Tintenkleckser sich hündischer Begleitung erfreuen.

Fußwärmer und Kopflüfter

Die moderne Auftragsschreiberin sieht es pragmatisch: Ihr Hund wärmt ihr die Füße und bringt sie zum Lachen. Er treibt sie ans Tageslicht, das sie ohne ihn tagelang nicht sehen würde. Das Geklapper ihrer Tastatur macht ihn angenehm schläfrig, und sein ruhiges Schnorcheln wiederum beruhigt ihre Sinne. Das Beste jedoch ist, dass er sie nicht kritisiert. Und einen Verriss gibt es nur auf Aufforderung: Wenn sie ihm erlaubt, einen missratenen Textentwurf zu schreddern.

 

Diese Glosse erschien ursprünglich in Nessa Alturas Autorenexpress – sozusagen als Urlaubsvertretung, als Nessa auf Reisen war. Da sie ihre Dienstagsglossen derzeit auf Eis gelegt hat, erscheint sie nun hier.
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Texterin, Redakteurin, Bloggerin. Liefert Konzept, Text und Redaktion für Web, Werbung und Corporate Publishing. Bloggt hier übers Leben und Texten und dort übers Reisen: rumreiserei