interstellare kommunikation
Mein Mann ist ein Alien.
Keine Sorge, es folgt nicht das Remake von „Meine Schwiegermutter ist ein Alien“, sondern mein Alltag. Ich lebe nicht etwa mit einem grünen Männchen zusammen, er hat auch keine Fühler auf dem Kopf oder eine metallisch-schnarrende Stimme. Es ist schlimmer: Er ist Leertischler und diszipliniert. Und ich bin Volltischlerin und schiebe auf. Ersteres verleitete ihn in einem unvorsichtigen Moment zu der Aussage: „Dein Schreibtisch ist wie ein altes Kriegsleiden: Es wird mit den Jahren immer schlimmer.“ Dabei ist schreibtischmäßig heute ein guter Tag: Man kann die Farbe des Tisches erkennen. An der kleinen freien Fläche, auf der eben noch die Teetasse von vorgestern stand. Er ist blau.
Zurück zu meinem Außerirdischen. Leertischler heißt: Abends liegen auf seinem riesigen Schreibtisch nur noch ein paar Stifte und ein säuberlich geschichteter Stapel Papier. Die Tastatur und die Maus sind unter dem Bildschirm verstaut, und wenn ich sein Arbeitszimmer betrete, gähnen mich gefühlte acht Quadratmeter leeres Kirschbaumholz an. Nun erweckt das den Verdacht, er würde gar nicht arbeiten. So könnte ich als Übervolltischlerin diese entsetzliche Leere ja noch ertragen. Doch das Gegenteil ist der Fall – er ist überaus fleißig, effizient und zu allem Übel auch noch ein Vertreter dieser seltenen Spezies, die immer alles schon Wochen vor der Deadline erledigt. Also ein Alien.
Immerhin habe ich ihm schon abgewöhnen können, zu sagen „fang doch einfach an“, wenn ich mal wieder jammernd um das leere Worddokument auf meinem Bildschirm kreise, zwischendurch die Buchhaltung erledige, die Spülmaschine ausräume oder mir einfällt, dass ich ja dringend noch das Hundefutter online bestellen muss, damit die Fellnase auch morgen noch was zu beißen hat. Eineinhalb Stunden später ist das Worddokument dann immer noch leer, aber ich habe zumindest ein paar andere To-Dos erledigt und kann jetzt endlich mit dem Schreiben beginnen. Der Blick auf die Uhr jedoch macht mir klar: Es lohnt sich gar nicht mehr, anzufangen. In einer knappen Stunde muss ich los, das Kind abholen. Also mache ich mir noch einen Kaffee und beantworte ein paar Mails. Morgen ist ja auch noch ein Tag.
Nebenan ächzt und schwitzt es, der Gatte ist völlig absorbiert und arbeitet mit Hochdruck an einer Präsentation. Ich frage lieber nicht mehr „wann musst Du die denn fertig haben?“, denn die Antwort lautet nicht etwa „in zwei Stunden“, sondern: „nächste Woche.“ Ich habe es mir abgewöhnt, das zu fragen, weil ich mir sonst fassungslose Kommentare nicht verkneifen kann.
Wir haben uns die Fragen beide abgewöhnt, denn die Folge wäre:
Krieg der Sterne.
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