neulich in o.

Kürzlich verschlug es mich mal wieder in die alte Heimat: ins Rhein-Main-Gebiet, wo bekanntlich das Angeranzt-Werden in Kneipen und Restaurants den Standard markiert. Dieses Mal war ich wohl besonders maso veranlagt, denn ich stimmte dem Vorschlag meiner Begleitung zu, die Stadtgrenzen gen Osten zu verlassen und im benachbarten Zubach (Name von der Redaktion geändert) zu dinieren.

Ein südamerikanisch geführtes Lokal war Ziel unserer Fahrt, und gegen 21:10 kamen wir dort an, ergatterten zwei der letzten Plätze im gut gefüllten Biergarten und harrten der Dinge, die da kommen sollten (Bedienung, Speisekarte, Getränke, Esssen, usw., vorzugsweise zügig und in dieser Reihenfolge).

  • 21:10 – Speisekarten liegen auf dem Tisch, wir wählen aus.
  • 21:20 – Wir erspähen einen Kellner, dessen Gesichtsausdruck mit den Adjektiven „gestresst“ und „gelangweilt“ zwar widersprüchlich, aber treffend beschrieben ist.
  • 21:21 – Er steuert tatsächlich auf uns zu, allerdings wird er unterwegs von einer Kollegin aufgehalten, die sagt: „Tisch xy möchte seit 15 Minuten zahlen, Tisch abc fragt, wann das Essen kommt und Tisch def wartet schon lange auf die Getränke“.
    Ich sage: „Das kann ja heiter werden.“ Und es wird heiter.
  • 21:22 – Er nimmt unsere Bestellung auf. Getränke und Essen gleich zusammen, denn wir hatten ja genug Zeit, beides auszuwählen.
  • 21:30 – Um uns herum beginnen die Gäste, die schon länger da sind, sich ihre Getränke selbst von drinnen zu holen. Wir nicht, wir sind Optimisten.
  • 21:35 – Unser Kellner wird mehrfach mit leeren Händen und ebensolchem Blick im Biergarten gesichtet.
  • 21:40 – Er steuert mit einer Cola in der Hand auf uns zu. Das ist schön, denn ich habe Durst. „War hier eine Cola?“ – „Ja, eine Cola Light“ – kurzes Stocken: „Hm, ich weiß nicht, ob das eine Light ist. Probier doch mal.“ Ich probiere: „Vollfett“. Er schwirrt wieder ab.
  • 21:50 – Um uns herum ist weiter Unruhe, tischweise pilgern die Leute nach drinnen, um sich Getränke zu holen. Wir sind eisern und bleiben hocken. Wäre doch gelacht!
  • 21:55 – Er kommt mit zwei Cocktails. Farblich sehen sie richtig aus, und eine geschmackliche Überprüfung zeigt, dass es tatsächlich die beiden bestellten Caipirinhas sind. Na also, geht doch. Kaum sind 45 Minuten vorbei, haben wir schon die ersten Getränke. Durst und leerer Magen in Kombination mit jeweils einem wirklich guten Caipi tragen schlagartig zur gesteigerten Laune bei. Mit je 4cl Cachaca im Blut finden wir sogar den Kellner lustig.
  • 22:10 – Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Eine Kollegin kommt mit dem (richtigen!) Essen und kaum eine Minute später habe ich die Cola vor mir. Na also. Das Essen ist lecker, der Kellner wird langsam lockerer und die Cola ist sogar Light.
  • 22:45 – Das nächste Unheil droht: Wir wollen zahlen. Franco (Name der späteren Rechnung entnommen) kommt tatsächlich mit einem weißen Zettel angelaufen und sagt gleich: „Die Salitos müssen wir runternehmen, die sind versehentlich auf der Rechnung gelandet.“ Ich schaue mir die Rechnung an und sage: „Stimmt, und die zwei Bier und die drei weiteren Cocktails hatten wir auch nicht“. Große Not, denn Franco muss jetzt rechnen. Mit vereinten Kräften schaffen wir es aber, und nach noch nichtmal 10 Minuten haben wir auch diese Hürde genommen. Wir versichern Franco: „Alles wird gut.“ Und gehen gutgelaunt nach Hause.

Die Moral von der Geschicht': Wenn man sich vornimmt, sich den Abend auf keinen Fall verderben zu lassen, kann man sogar mitten in der Servicewüste Spaß haben.

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Texterin, Redakteurin, Bloggerin. Liefert Konzept, Text und Redaktion für Web, Werbung und Corporate Publishing. Bloggt hier übers Leben und Texten und dort übers Reisen: rumreiserei
6 Kommentare
  1. die Begleitung sagte:

    Du hast vergessen zu erwähnen, dass deine Begleitung mangels
    Ortskenntnissen (und Erinnerungsvermögen) erstmal eine Ewigkeit durch
    Zubach <gröhl!> gekurvt ist, um den angestrebten Südamerikaner
    wiederzufinden. Aber dafür kann natürlich Franco nix. Als Belohnung
    warst du ja noch so lieb, seine falsche Rechnung um 7 EU nach oben zu
    korrigieren. Ehrlich währt eben immer noch am längsten!
    Aber der Südamerikaner in Zubach ist ab sofort von meinem
    Kneipen-Ziel-Portfolio gestrichen ;-)

  2. pixhex sagte:

    das war keine servicewüste, das war ein ganz authentischer
    südamerikanischer abend, frau aböse! beschweren sie sich also nicht.
    obwohl, das mit den cocktails hört sich eher nach cuba an. hasta la
    victoria siempre! mit devisen wärs schneller gewiesen. manana, manana
    (und wie krieg ich jetzt die welle aufs n?)

  3. aböse sagte:

    werte pixelhexe,
    hab ich mich beschwert? ganz im gegenteil: wir hatten einen äußerst
    vergnüglichen abend. aber ich bin beeindruckt: es war in der tat
    cubanisch. wie haben sie das denn nun rausgekriegt? und danke für den
    tipp, das näcshte mal zahl ich in dollars …
    in sachen welle kann ich ihnen leider auch nicht helfen.
    beste grüße,
    a.

  4. Petra sagte:

    Erst dachte ich, vielleicht war es Francos erster Tag. Aber Cubaner
    haben doch immer Zeit ohne Ende und wundern sich über die Hektik der
    Deutschen. Dann ist es ja irgendwie klar ;-)

  5. aböse sagte:

    das seltsame war: er war selbst total gestresst, hektisch und
    übellaunig. hätte er anstelle eines ewig leeren tabletts sein sonniges
    gemüt vor sich her getragen, hätte das schon besser gepasst *g*.

  6. Birgit sagte:

    Hallo,
    Ich habe 6 Jahre in Zubach gearbeitet und habe es in den ganzen Jahren
    sehr selten geschafft meine Mittagspause von eigentlich einer Stunde
    nicht zu überziehen. Und das war kein cubanisches Restaurant, auch
    Italiener, Deutsch, Chinesen und Inder waren in Zubach nicht die
    schnellsten. Obs an Zubach liegt? Im Magenstadt (Name geändert) ist es
    auch nicht besser….

    Gruß BB

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